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Der Begriff "Mittelalter" verrät sprachlich die Vorstellung von einer Übergangszeit. Das setzt ein "älteres Zeitalter" und ein "neueres Zeitalter" voraus. Die Einteilung unserer (okzidentalen) Geschichte in ALTERTUM, MITTELALTER und NEUZEIT ist umstritten. Die zeitliche Grenzziehung ebenfalls. Moderne Forschung operiert
nicht mehr mit exakten Jahreszahlen. Man muss wohl eher die "Grenzzeiten" ihrerseits als "Übergangsepochen" verstehen.
So spricht viel dafür, das 5.Jh. und das 15.Jh. als diese Übergangszeiten anzusehen. Die Völkerwanderung hat die westliche Welt nachhaltig verändert und steht für den Wandel von der Antike zum Mittelalter.
Damit sprechen wir vom 4.-6.Jh. Der Untergang des Römischen Reichs, welches die Spätantike beherrschte, vollendet sich im 5.Jh. nach Christi Geburt. Die folgenden etwa 1000 Jahre in Europa werden gemeinhin in Früh-, Hoch- und Spätmittelalter unterteilt. Auch dies findet primär eine pragmatische Begründung und ist weniger inhaltlich sinnvoll belegbar und abgrenzbar. Vielmehr gibt es innerhalb dieser (formal-chronologischen) Dreiteilung des Mittelalters Entwicklungen von epochaler Bedeutung – wie das 8.Jh. mit Karl dem Großen, welches bereits innerhalb des "Frühmittelalters" eine große Zäsur aufweist.
Im Frühmittelalter bildet sich eine europäische Staaatenwelt heraus. Das reicht bis in das 11.Jh. hinein. In den folgenden etwa 200 Jahren ist der Begriff des Hochmittelalters gerechtfertigt, denn die Machtentfaltung des Reichs sowie des Papsttums erreicht einen Höhepunkt. Es gibt einen gewaltigen wirtschaftlichen Aufschwung, Handel und Handwerk entfalten sich, und die Städte wachsen heran. Das Spätmittelalter (etwa von 1250 - 1500) zeichnet sich durch Krisen aus: die Krise des Papsttums, der Untergang von Byzanz, das Scheitern der Reichsreform und der Wandel sozialer Strukturen. Auf der anderen Seite steht der geistige Aufbruch (Humanismus, Renaissance), der im 15.Jh. einen Höhepunkt erreicht und insbesondere mit Erfindungen (z.B. Buchdruck) und den großen Entdeckungen eine "Neuzeit" ankündigt. So gilt das Jahr 1492 mit der Entdeckung Amerikas ( der "neuen Welt") vielen auch als das Jahr, mit dem die so genannte Neuzeit beginnt.
Der Begriff "Mittelalter" wurde erst in dieser späten Phase, im Humanismus, geprägt und weist einen negativen Beigeschmack auf. Man will an die Errungenschaften der Antike anknüpfen und wertet die "Zwischenzeit" ab. Die Menschen des Mittelalters selbst verstanden sich wohl eher in einer "Übergangszeit" befindlich, die christlichem Verständnis entsprach: die Zeit zwischen der Menschwerdung Christi und dem Jüngsten Gericht.
Jede Zeitepoche entwickelt ihr eigenes Geschichtsverständnis. So hat in der modernen Geschichtsauffassung längst eine Aufwertung des "Mittelalters" begonnen.
Als generelles Nachschlagewerk
sei das 9-bändige Lexikon des Mittelalters (hg. v. Bautier, Auty u.a. 1980ff.) empfohlen; bei Zitaten in dieser Website liegt die Lizenzausgabe der WBG 2009 zugrunde.