Home › Familien › Grebenstein-Essen › CHRONIK › Kapitel IV
Nach dem Westfälischen Frieden sollte eigentlich alles besser werden. Manches beruhigt sich in der Tat, doch die Menschen sind noch nicht reif für eine neue, friedliche Zeit, vor allem jene nicht, die unsere Geschicke auf Erden zu steuern haben. Dennoch entwickelt sich überall in unserem Kulturkreis alsbald eine Blüte der Wissenschaft, Kunst und Philosophie. Der denkende Mensch macht sich in einer säkularisierten Umwelt daran, sich „aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ zu befreien, wie Kant es 100 Jahre später nennt (1874). Wir sprechen von der Aufklärung, der entscheidenden geistigen Bewegung seit der Reformation, die bis in die Gegenwart des 20. Jh. spürbar bleibt. Leibniz, Voltaire und Rousseau, Kant, Goethe und Schiller, Bach und Mozart (um nur einige Namen zu nennen) leben in dieser Zeit des späten 17. und des 18. Jh.; sie wirken weit über Deutschland hinaus oder nach Deutschland hinein.
Auch für die Menschen in Grebenstein gibt es einen hoffnungsvollen Start in diese Zeit, als im Jahre 1651 eine öffentliche Schule errichtet wird, mit vier Klassen für ca. 100 Schüler. Arends Kinder (unsere 8. Generation) profitieren bereits davon. Bis zum Siebenjährigen Krieg Mitte des 18. Jh. geht es von Naturkatastrophen abgesehen offenbar vergleichsweise ruhig zu. Und was von den großen geistigen Strömungen der Zeit in Grebenstein ankommt, davon wissen wir nichts -; der Alltag geht weiter. Unsere 8. und 9. Generation vermehrt sich indes fleißig. Auch im 18. Jh. zunächst ausschließlich in Grebenstein selbst.
Unser Vertreter der 8. Generation Dringenberg ist Stephan d.J., drittes Kind von Arend. Stephan (Steffan) wird am 4. November 1666 geboren. (11) Er wird erst 1680 mit 14 Jahren konfirmiert und heiratet acht Jahre später mit 22 Jahren Dorothea Baumbach (* 14.3.1664, ? 30.9.1734).
Die beiden haben 9 Kinder, deren erstes wiederum unsere Linie fortsetzt: Bernhard Georg (* 15.6.1690). Es folgen zwischen 1696 und 1713 Henrich Philipp (Martin), Johannes, Elisabeth, Marie Elisabeth, Anna Gerdruth, Johann Georg, Anna Catharina, Anna Maria.
Von Stephan ist überliefert, daß er 1708 das Haus Obere Strohstraße Nr. 6 baut sowie eines in der Unteren Strohstraße No. 2 nach 1710, das er nach einem Brand am 13. Mai 1717 neu errichtet.
Da man noch anno 2001 das Haus Nr. 6 als schönen restaurierten Fachwerkbau bewundern kann, wird einem klar, daß man sich mit den Jahren 1708 ff. gar nicht mehr so weit von der Gegenwart des 21. Jh. entfernt befindet. Über dem Hauseingang liest man den stolzen Spruch:
STEPHANUS DRENGENBERG UND ORTHIA MEINE HAUSFRAU
HABEN GOTT VERTRAUET UND DIS HAUS GEBAUET ANNO 1708
Der Name "Orthia" an dieser Stelle irritiert zun?hst, es handelt sich offenbar um eine der gebrçÈchlichen Abk?zungen des Namens Dorothea.
Der Tod Stephans ist nicht verbürgt, er muß jedenfalls vor 1731 liegen, als seine Witwe „Einwohnergeschoß“ (Steuer) zahlt, nach genaueren Berechnungen aber (Quelle: Hähnert) vor 1722 zu datieren sein.
Bernhard George ist unsere 9. Generation. Am 15. Juni 1690 geboren, kann man diesen Ahnen schon gänzlich als Menschen des 18. Jahrhunderts betrachten. Er heiratet 1721 Maria Elisabeth NN (* Oktober 1700, † 10.7.1755 „mit 54 Jahren 9 Monaten“) und hat mit ihr sieben Kinder; diesmal wird das jüngste zum Vertreter unserer Linie.
Die Kinder werden zwischen 1721 und 1743 geboren und heißen: Anna Gerdruth, Henrich, Jacob, Catharina Elisabeth, Elisabeth, Anna Catharina und Johann Henrich (* 16.1.1743).
Bernhard George hat anno 1721 70 Mark zu versteuern, darunter Land von seinem Vater und seiner Frau (sic!), und er wird 1731 in der Bürgerschaft genannt. Er stirbt am 12. September 1755, zwei Monate nach seiner Frau, „mit 65 Jahren 3 Mon. 2 Wochen“.
Wir nähern uns nun der Mitte des 18. Jahrhunderts. Unser Land Hessen nimmt eine recht bescheidene Position ein zwischen den bedeutenderen Ländern Hannover, Sachsen und Bayern – und erst gar im Vergleich zu den Machtzentren der Zeit, Preußen und Österreich. Friedrich II. der Große, der Hohenzoller, und Maria Theresia, die Habsburgerin, repräsentieren die Machtblöcke und liegen in Fehde. Die Schlesischen Kriege in den 40er Jahren und der Siebenjährige Krieg (1756-1763) fordern ihren Tribut an Menschenleben und Geld. Es entstehen schwere Kriegsschäden im gesamten Gebiet um Grebenstein, besonders während des Stellungskriegs an der Diemel 1760/62. Anscheinend muß man auch sein Scherflein zum Hochfürstlich Hessischen Grenadierregiment beitragen, das von Grebenstein aus zum amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1776–1783) in Marsch gesetzt wird.
1773 zählt Grebenstein nur noch 1.495 Einwohner. Neben 316 Häusern bestehen noch immer 101 „wüste“ Hausstellen aus dem 30jährigen Krieg (vermutlich aus dem berüchtigten Jahr 1637).
Grebenstein ist Garnisonsstadt. Aber noch immer gibt es – nach einer Berufszählung von 1753 – in der Stadt 70 Leineweber (!) und 37 Spinnerinnen, 12 Schneider, 3 Lohgerber, 14 Schuhmacher und 3 Schuhflicker, 2 Hosenmacher und 2 Weißbinder; daneben wenige Metzger, Maurer, Zimmerleute und ähnliche Berufe (den weitaus größten Anteil haben also die auf Kleidung bezogenen Berufe: Arbeit und Arbeitsplätze, die bald an Bedeutung verlieren sollten). Auf den Feldern arbeiten 46 Ackerleute und 9 Schäfer. - Eine interessante Statistik zum damaligen Arbeitsleben!