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In vormodernen Gesellschaften hat es immer schon aristokratische Strukturen gegeben, die sich aber in den einzelnen Epochen und Kulturen sehr unterscheiden mochten. Was den Adel generell auszeichnete, war seine herausragende Stellung im hierarchischen Aufbau einer Gesellschaft, Macht oder Einfluss – und im frühen Mittelalter jedenfalls seine unverzichtbare Funktion im Herrschafts- und Verwaltungsgefüge eines Reiches. Außerdem beschränkte der Adel sich in unseren Breiten üblicherweise nicht auf eine Person, sondern bezog dessen Familie ein und war erblich.
Nach dem Untergang des römischen Reiches, dem Ende der Spätantike, mussten sich in Europa neue Machtverhältnisse und Gesellschaftsstrukturen herausbilden. Dabei ist es bemerkenswert, wie sehr im Frankenreich die Kultur des IMPERIUM ROMANUM die Verwaltung neuer Herrschaftsgebilde und das Alltagshandeln beeinflussten.
Unter Historikern ist es offenbar strittig, ob es überhaupt fränkischen Geburtsadel vor Chlodwig gegeben hat oder ob eine neue Oberschicht erst mit neuem Dienstadel entstand. Belege sind spärlich und lassen Interpretationsspielraum. Andererseits existierte in der gallo-römischen Welt noch eine etablierte Schicht, die der spätrömischen Reichsbeamtenschaft entsprang. Allein die Bischofssitze im merowingischen Gallien waren wohl großenteils von ihnen besetzt. Diese Nobilitas (die „von Geburt Großen“ des Reiches) und der neuere Dienstadel verbanden sich im Zuge der generellen Integration von gallo-römischer und germanisch-fränkischer Bevölkerung.
Der Anführer eines überschaubaren Stammes mochte noch (mit vielleicht wenigen Gefolgsleuten) seine Sippe im Griff behalten, doch mit der Expansion von Fläche und Volk braucht es weitere effektive Strukturen. Ohne einen Dienstadel wäre ein Reich nicht zu führen. Ein bürgerliches Beamtentum moderner Prägung gab es nicht. Der König braucht Gefolgsleute, die seinen Willen überall in den Reichsgebieten durchsetzen, die verwalten, organisieren und Truppen befehligen. Die exklusive Stellung königlicher Gefolgsleute mehrt ihr Ansehen, das auf ihre Frauen und Kinder ausstrahlt, mehrt aber auch ihren Einfluss und ihre materielle Ausstattung.
Unter den Merowingern bildet sich aus der Notwendigkeit erfolgreichen Regierens ein Adel heraus, der differenzierte Ämter und unterschiedliche Macht im Reich kennt. Als Muster dienen vielfach die kaiserliche Hofverwaltung und die Gutsverwaltung des spätantiken Roms. Im Zentrum gibt es die vier Ämter des Hausmeiers, Marschalls, Schenks und Kämmerers. In den Regionen des Reiches setzt der König Statthalter ein, die sich später als Grafen verstehen (lat. comes, german. grafio – was anfangs nicht dasselbe war).
Überhaupt scheint die Zweisprachigkeit und die kulturell unterschiedliche Genese von Begriffen und Gewohnheiten ein nicht geringes Problem in den mittelalterlichen Quellen darzustellen. Der "Tribun" nimmt militärische und polizeiliche (Führungs-)Aufgaben wahr, in spätmerowingischer Zeit heißt derselbe rechtsrheinisch auch "Schultheiß" (vgl. Becher:28ff.).
Zur Sicherung der Grenzen stehen die Truppen wie in der Spätantike unter dem Befehl eines dux (≈ Herzog). Provinzverwaltungen sind zunächst vorwiegend militärische Organisationen, deren zivile Administration durch die comites wahrgenommen wird. Ein Dukat umfasst also mehrere Komitate. (Aus diesen frühen Verwaltungseinheiten unter der Königsgewalt entstanden die späteren "Herzogtümer" und "Grafschaften", die aber begrifflich und in ihrer Bedeutung nicht einfach "eins zu eins" mit den frühen fränkischen - lateinisch bezeichneten – Dukaten und Komitaten gleichgesetzt werden können.)
Von nicht geringer Bedeutung für die regionale Verwaltung sind die etablierten kirchlichen Strukturen. Hier behalten Bischöfe ihren exklusiven Status auch im fränkischen Reich. Ein Bischof gewinnt oftmals die Oberhand gegenüber dem weltlichen Statthalter (comes).
Mit der Zeit entwickeln sich aus größeren Provinzverwaltungen relativ selbständige Reichsteile unter der Herrschaft eines Herzogs. Das gilt insbesondere für die rechtsrheinischen Stammesgebiete der Alemannen, Bayern und Thüringer: Was zunächst als königliches Amt auf Zeit eingerichtet wurde, nahm zunehmend den Charakter eines Stammesherzogtums an, das Eigenständigkeit und Erblichkeit beanspruchte.
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Benutztes Kompendium:
Becher, Matthias: Merowinger und Karolinger, WBG, Darmstadt 2009